Lehren und Lernen
Editorial
14. Februar 2023, von Gabi Reinmann
Liebe Leserinnen und Leser,
unter dem Motto „Lehre weiterdenken“ erscheint der HUL-Newsletter 2023 in neuem Gewand: stärker ausgerichtet auf die Lehre und jeweils fokussiert auf ein spezielles Thema, einmal im Semester. Unser Ziel ist es, Ihnen Impulse für die Lehre zu geben – aus unserer Forschung am HUL, aus Erfahrungen in der eigenen Lehre (Master Higher Education) und aus dem, was wir von Ihnen in unseren Qualifizierungsangeboten lernen.
Der neue Newsletter startet im Februar 2023 mit dem Thema: Neue Präsenz. Aber ist das überhaupt ein Thema in dem Sinne, dass man mit „neue Präsenz“ ein Phänomen beschreibt? Oder handelt es sich eher um eine Forderung, vor der wir stehen, oder gar „nur“ um einen (frommen) Wunsch?
Die Frage, ob die Präsenz, wie sie im zu Ende gehenden Wintersemester 2022/23 zu beobachten war, eine „neue“ ist, können wir wohl alle für uns selbst beantworten und prüfen, ob der Begriff als Beschreibung der Wirklichkeit taugt. Was war neu? Neu war vielleicht (vorübergehend) im Vergleich zu den Pandemie-Semestern, dass es überhaupt kontinuierlich möglich war, in Präsenz zu lehren. Hat sich dabei auch verändert, was in Präsenzveranstaltungen praktiziert wird? Denken wir zurück: Während der Pandemie stieg die Wertschätzung einer örtlichen und zeitlichen Co-Präsenz enorm an. Man hatte uns etwas genommen, dessen Wert auf diesem Wege eklatant sichtbar wurde. Ist es bei dieser Wertschätzung geblieben – nun, da die Präsenz in der Lehre zurück und wieder „normal“ ist? Auf die Antworten darf man gespannt sein.
Versteht man „neue Präsenz“ als Forderung, dürfte der Blick vor allem auf didaktische Entscheidungen gerichtet sein: Viele Lehrpersonen haben während der Pandemie-Semester gelernt, wie man Online-Veranstaltungen synchron und asynchron gestalten kann, haben zusammen mit ihren Studierenden erlebt, was sich bewährt oder schwierig ist, was sich – fachspezifisch betrachtet – als vorteilhaft oder ungünstig erweist. Wenn also nicht alles schlecht, manches vielleicht sogar gut gewesen sein sollte im Zuge der Zwangsdigitalisierung, dann darf, ja dann muss man sich fragen: Was davon sollten wir in welcher Weise beibehalten und welchen Einfluss hat das auf die Gestaltung der Präsenzlehre? Welche erweiterten Spielräume ergeben sich dadurch? Welche neuen Anforderungen – auch im Hinblick auf materielle Räume – sind damit nun verbunden?
Im schlechtesten Fall bleibt die „neue Präsenz“ ein Wunsch, der nicht erfüllt wird. Das ist dann der Fall, wenn wir zum „Alten“ zurückkehren und dabei nicht nur das Altbewährte (zu Recht) wieder aufnehmen, sondern auch in alte Gewohnheiten zurückfallen, die dysfunktional geworden sind (oder immer schon dysfunktional waren) und/oder die bereits erprobten digitalen Potenziale erneut ungenutzt lassen. Vermutlich gibt es viele Gründe, die eine bloße Rückkehr zum Alten in der Hochschullehre nach den Pandemie-Semestern plausibel erklären: Erschöpfung, wachsende Ansprüche, technische Probleme, neue Überzeugungen etc. Über diese Gründe gilt es dann zu sprechen, sich darüber auszutauschen und zu klären, was davon berechtigt ist und was uns eher lähmt als weiterbringt.
Ich hoffe, dass unser Newsletter eine solche Diskussion ein wenig anstoßen und dazu beitragen kann, dass wir nicht nur das Digitale, sondern auch die Präsenz für die Hochschullehre immer wieder mal „neu denken“ (lernen).
Gabi Reinmann