Lehren und Lernen
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, mit und ohne KI!
17. Juli 2023, von Alice Watanabe

Foto: DeppGPT, ebenfalls basierend auf dem Sprachmodell ChatGPT von OpenAI, generiert beunruhigende Antworten auf die Frage nach Kants Konzept von Mündigkeit und KI.
Forschendes Lernen als Möglichkeit, mit KI-gestützten Tools zu studieren.
Ein Ziel der Hochschulbildung ist es, die Studierenden während ihres Studiums zu mündigen Bürger:innen zu befähigen, die unabhängig und demokratisch denken und handeln können. Dies wird als eine wichtige Aufgabe angesehen und ist in vielen Hochschulen und hochschulpolitischen Zielsetzungen verankert. Nach Kant bedeutet Mündigkeit, den eigenen Verstand eigenständig und unabhängig zu nutzen und sich so von einer selbst verschuldeten Unmündigkeit zu befreien.
Das Bildungsideal der mündigen Studierenden gewinnt durch den aktuellen KI-Hype an Bedeutung. Es gibt viele frei verfügbare KI-Tools, die beispielsweise bei der Literaturrecherche oder beim Erstellen von Textbausteinen helfen. Dadurch entsteht die Frage, ob Studierende sich wegen neuer KI-gestützter Tools weniger auf ihr eigenes Denken und Handeln im Studium verlassen und mehr auf neue Technologien vertrauen. Im aktuellen Diskurs über KI in der Hochschulbildung gibt es zwei Antworten auf diese Frage.
Die Befürworter:innen der KI argumentieren, dass sich die Studierenden durch die neuen KI-gestützten Tools besser auf das Wesentliche des Lernens konzentrieren können, wodurch sie ihre Mündigkeit und Fachkompetenz steigern würden. Die Kritiker:innen weisen hingegen darauf hin, dass die KI-Anwendungen zu einem Verlust an Schreibkompetenz führen könnten oder dass die Studierenden die KI nur nutzen, um schnell und mit wenig Aufwand zu studieren, wodurch sie die Ausbildung von eigenen Fähigkeiten vernachlässigen würden. Da beide Positionen ihre Berechtigung haben, ist es wichtig, dass Lehrende Lernformate wählen, die Chancen und Risiken der neuen KI-Tools berücksichtigen.
Ein Format, das diesen Anforderungen gerecht wird, ist das forschende Lernen. Beim forschenden Lernen durchlaufen Studierende eigenständig den gesamten Forschungsprozess mit Unterstützung der Lehrenden. Die Komplexität dieses Lernformats bedeutet, dass die Studierenden zwar teilweise von KI-Tools unterstützt werden können, aber die Verknüpfung und Durchführung der Forschung von den Studierenden selbst geleistet werden muss. Es bringt den Studierenden in diesem Lernformat wenig, oberflächlich und mit Hilfe von KI-Tools ihre Forschungsthemen und -methoden zu bearbeiten, da sie ohne ein wirkliches Verständnis diese nicht auf ihren Forschungsgegenstand anwenden können. Beim forschenden Lernen lernen die Studierenden einerseits, wie sie sich mit neuen technischen Möglichkeiten vertraut machen und diese sinnvoll und verantwortungsbewusst in ihren Forschungsprozessen einsetzen können. Andererseits hilft die Begleitung der Lehrenden dabei, unangemessene Verwendungen von KI-gestützten Tools in der studentischen Forschung frühzeitig zu erkennen, anzusprechen und zu verhindern.
Kants Aufforderung - Sapere aude! - bedarf aus dieser Perspektive folgende Ergänzung: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, mit und ohne KI!