Lehren und Lernen
Wahlmöglichkeiten für Lehrende und Studierende explorieren – Interview mit Dr. Franziska Carl und Dr. Maren Plaum vom Arbeitsbereich Schulpädagogik
12. Februar 2025

Foto: Pixabay/Arek Socha
Dr. Franziska Carl und Dr. Maren Plaum sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Arbeitsbereich Schulpädagogik. Im Projekt "Professionelle Handlungsfähigkeit stärken (von Anfang an)" arbeiten sie mit Kolleginnen und in engem Austausch mit dem HUL daran, das Modul Schulpädagogik im Rahmen von Design-Based Research weiterzuentwickeln. Vor allem geht es darum, im Vertiefungsseminar Studierende dabei zu unterstützen, Inhalte sinnvoll zu verknüpfen, mit anderen zielgerichtet zu kooperieren und Wahlmöglichkeiten wahrzunehmen.
HUL: Das Projekt geht von einer Herausforderung im Modul Schulpädagogik aus, die mit dem typischen Spannungsfeld zwischen Autonomie und Heteronomie verbunden ist. Was genau war denn die Herausforderung, die euch dazu bewegt hat, euer Modulkonzept weiterzuentwickeln?
Antwort: Durch die Reform der Lehrer:innenbildung an der Uni Hamburg zum Wintersemester 20/21 rutschte die Auseinandersetzung mit Themenfeldern der Schulpädagogik an den Beginn des Bachelor-Studiums. Mit der Reform führten wir das Modul Schulpädagogik im ersten Semester mit einer Vorlesung ein und boten im zweiten Semester Vertiefungsseminare an, in denen die Inhalte aus der Vorlesung vertieft werden. Wir standen also vor der Herausforderung, mit jüngeren Studierenden zu arbeiten, die eher unerfahren im universitären Lernen und Arbeiten waren. Das hat sich insbesondere dadurch bemerkbar gemacht, dass wir Studierenden Freiheiten gaben, die sie aber kaum genutzt haben.
Eine zweite Herausforderung war die Rückkehr in die Präsenzveranstaltungen. Wir haben während der Pandemie häufig erlebt, dass Studierende sich wenig einbrachten und beteiligten. Gleichzeitig nahmen wir eine größere Heterogenität der Studierenden wahr. So gab es immer häufiger Studierende, die aufgrund des Lehrer:innenmangels schon Lehraufträge an Schulen übernahmen. Andere Studierende sind gewissermaßen von der Schule in den Seminarraum gewechselt. Hierfür wollten wir gerne Handlungsspielräume innerhalb der Lehre schaffen, in denen die Studierenden sich bewegen können.
HUL: Ihr gebt den Studierenden nun viele Wahlmöglichkeiten. Welche Entscheidungen sind es denn, die die Studierenden nun für sich treffen?
Antwort: Die Studierenden treffen Entscheidungen in Bezug auf die Studienleistung. Sie können neue Formate der Lernprozessreflexion kennenlernen und entweder mit anderen Studierenden kooperieren (z.B. Peer-to-Peer-Beratung) oder alleine arbeiten. Sie können entscheiden, ob sie bestimmte Themenbereiche vertiefend darstellen oder sich einen gesamten Überblick erarbeiten (z.B. anhand einer Themenlandkarte); ob sie Themen für andere nachvollziehbar aufarbeiten (z.B. über Protokolle) oder vor allem für sich selbst reflektieren (z.B. über ein Lernjournal). Zudem haben sie die Möglichkeit, in Absprache mit der Seminarleitung eine eigene Idee für eine Studienleistung zu entwickeln.
In den Seminaren wurde alles angewählt, wobei die Studienleistungen, die Kooperation beinhalteten, deutlich weniger gewählt wurden. Die Gründe waren sehr unterschiedlich, es ging nach Neigung, danach etwas Neues kennenzulernen oder wie gut die Studienleistung in den Studierendenalltag passte.
HUL: Es gibt eine intensive Koordination zwischen euch und den anderen Lehrenden der Vertiefungsseminare, aber gleichzeitig habt ihr auch für euch auf der Ebene der Lehrenden Wahlmöglichkeiten konzipiert. Warum ist das wichtig?
Antwort: Die Wahlmöglichkeiten bei den Lehrenden zu ermöglichen war deshalb wichtig, weil auch wir im Team heterogen sind in unserer Art zu lehren und natürlich verschiedene Arbeitsschwerpunkte haben. Auch methodisch-didaktisch setzen wir teilweise andere Schwerpunkte. Hier ist der Handlungsspielraum für uns wichtig, weil so die eigene Komfortzone nicht zwingend überschritten werden muss und dennoch die Möglichkeit besteht, auch Neues für sich auszuprobieren oder eigenen Interessen Raum zu geben. Durch die Handlungsspielräume fordern und fördern wir uns selbst, uns mit unserer Lehre auseinanderzusetzen.
HUL: In DBR werden Theorie und Empirie für didaktische Gestaltungsentscheidungen herangezogen. Wie funktioniert das?
Antwort: Wir haben zu Beginn des Prozesses Literatur zum Thema Aktivierung zum Lernen von Studierenden herangezogen. Ausgehend davon und von den Erfahrungen, die wir bereits in der Lehre gesammelt haben, haben wir Design-Prinzipien entwickelt, etabliert und formativ evaluiert. Dafür haben wir nach der Hälfte der Vorlesungszeit in allen Seminaren eine Zwischenevaluation durchgeführt, um empirische Daten zu unserem Vorgehen zu sammeln. Am Ende der Vorlesungszeit haben wir eine abschließende Evaluation durchgeführt. Auf Basis der Ergebnisse aus den Evaluationen sowie unseren Beobachtungen (und eigenen Forschungsnotizen) haben wir die Prinzipien geschärft und uns für drei Prinzipien entschieden, die wir im nächsten Durchgang weiterverfolgt und erneut evaluiert haben.
Außerdem haben wir recherchiert, welche theoretischen Bezüge für uns sinnvoll sind und sind auf die Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan gestoßen. Die Theorie hilft uns dabei besser zu verstehen, wie unser Design das Lernen der Studierenden fördert.
HUL: Wie kommt denn das neue Konzept bei den Studierenden an?
Antwort: Aus der Gesamtevaluation mit 286 Teilnehmer:innen zeigt sich eine insgesamt gute (49%) bis sehr gute (37%) Bewertung der Seminare. Die Studierenden geben an, dass die Lehrveranstaltung sie darin unterstützt, Zusammenhänge in den Themen der Schulpädagogik zu erkennen (40% trifft eher zu; 38% trifft zu) und dass die Seminare sie dazu anregen, theoretische Inhalte auf das Praxisfeld Schule zu beziehen (40% trifft eher zu; 39% trifft zu). Angegeben wird auch, dass das methodisch-didaktische Konzept für den Großteil der befragten Studierenden für die eigene berufliche Praxis anregend ist und dass das eigene Lernen unterstützt wird (trifft eher zu 45%, trifft zu 40%). Diese hohen Werte am oberen Ende der Skalen zeigen, dass wir mit einem Seminarkonzept arbeiten, bei dem die Studierenden positiv auf ihr Lernen schauen und es uns gelingt, Inhalte zu vermitteln. Eine Beobachtung, die uns gefreut hat, möchten wir auch gerne noch teilen. Im Anschluss an das Vertiefungsseminar im Sommersemester nehmen die Studierenden an einem Vorbereitungsseminar zum Orientierungspraktikum teil. Und als Lehrende in diesen Seminaren beobachten wir, dass die Studierenden von sich aus in Plenumsgesprächen oder in schriftlichen Ausarbeitungen mit Themeninhalten aus den Vertiefungsseminaren und der Vorlesung argumentieren und hier ihr theoretisches Wissen heranziehen. Diese Beobachtung hat uns gefreut und bestärkt uns, dass wir ein Seminarkonzept entwickeln, das eine sehr gute Grundlage für die Lehre bietet.
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Dr. Maren Plaum |
Dr. Franziska Carl |