Lehren und Lernen
Keine Lust auf Präsenz? Herausforderungen für die Forschung
14. Februar 2023, von Jonas Breetzke, Leoni Gillessen, Derya Özbagci und Carla Bohndick

Foto: UHH/Anufrieva
Im vom BMBF geförderte Forschungsprojekt WERT untersuchen wir, wie Studierende der Geisteswissenschaften die berufliche und gesellschaftliche Relevanz ihres Studiums wahrnehmen. Dazu evaluieren wir Veranstaltungen verschiedener Kooperationspartner:innen (zum Beispiel Workshops, Vorlesungen oder Karrieretage) und befragen die teilnehmenden Studierenden vor und nach den Veranstaltungen zum Wert ihres Studiums. Die Pandemie und die plötzliche Umstellung auf Online-Lehre stellte nicht nur Lehrende und Studierende, sondern auch uns als Forschende vor neue Herausforderungen: Wie evaluieren wir Veranstaltungen, wenn wir nicht vor Ort sein dürfen? Wie können wir Forschungsergebnisse aus den Online-Semestern mit Ergebnissen aus der Präsenzzeit vergleichen, wenn sich die Ausgangslagen so stark voneinander unterscheiden?
Mit der Rückkehr zum Präsenz-Unterricht waren wir zuversichtlich, dass sich viele unserer pandemiebedingten Herausforderungen erübrigen doch auch zum Ende des dritten Jahres der Pandemie kommen neue Probleme auf uns zu: Sowohl wir, als auch viele unser Kooperationspartner:innen beobachten, dass seit der Rückkehr in die Präsenz deutlich weniger Teilnehmer:innen zu ihren Veranstaltungen erscheinen. Auch die Zuverlässigkeit der Anmeldung ist spürbar geringer geworden und selbst bei hohen Anmeldezahlen kommen oft wenige Teilnehmende. Mit weniger Teilnehmer:innen bei einem Workshop gehen jedoch auch weniger Teilnehmer:innen bei unseren Evaluationen einher.
Damit wir die im Vorhinein geplanten und für die Analysen notwendigen Stichprobengrößen trotzdem erreichen können, haben wir uns in diesem Semester stärker auf viel besuchte Veranstaltungen (Ringvorlesungen, Vortragsreihen) fokussiert und einen zusätzlichen Puffer bei der Zahl der Teilnehmenden eingeplant. Für Veranstaltungen in Kleingruppen haben wir zudem besonders darauf geachtet, dass diese mehrfach angeboten und evaluiert werden konnten. Außerdem zeigte sich, dass unsere Rücklaufquoten deutlich höher waren, wenn Umfragen direkt in die Veranstaltungen eingebunden wurden.
Über die Gründe für die gesunkenen Teilnehmerzahlen können wir hier nur spekulieren: Ein Workshopleiter vermutet, dass viele Studierende mit ihren fachlichen Studienleistungen ins Hintertreffen geraten sind und ihren Fokus deshalb fürs Erste weniger auf überfachliche Angebote legen. Auch Probleme mit der Selbstorganisation und eine geringere Verbindlichkeit bei den Studierenden hält er für möglich. Eine weitere Veranstaltungsleitende vermutet eher pragmatische Gründe: Durch die höhere Flexibilität, den geringeren Aufwand und das Wegfallen der Fahrtwege sind Onlinevorlesungen möglicherweise in einigen Fällen attraktiver – obwohl sich während der Pandemie so viele die Rückkehr zur Präsenzlehre gewünscht haben.