Wissenschaftsdidaktik im Gespräch
Aktueller Hinweis
"WISSENSCHAFTSDIDAKTIK IM GESPRÄCH“ beschäftigt sich im Februar mit dem Thema „Hybride Lehre“. Am 23. Februar 2021 von 16.30 bis 18.00 Uhr - Zoom-Konferenz. Mehr >
Foto: UHH/Denstorf
Hochschuldidaktisches Programm für Professorinnen und Professoren
Wissenschaftsdidaktik im Gespräch
WISSENSCHAFTSDIDAKTIK IM GESPRÄCH ist ein Programm am Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL), das Professorinnen und Professoren an der Universität Hamburg ein Forum für die Diskussion von grundsätzlichen Fragen zur universitären Lehre bietet – jenseits didaktischer Praxistipps, schneller Problemlösungen und sogenannter Good oder Best Practices. Die Gestaltung des Forums (mit internen Impulsen, externen Gästen etc.) ist jeweils variabel, der Zweck aber gleichbleibend: Nicht tagesaktuelle Themen, sondern grundsätzliche Fragen zu Lehre und Wissenschaft stehen im Fokus. Verantwortet und umgesetzt wird das Professorenprogramm von Prof. Dr. Gabi Reinmann. Es findet mindestens einmal im Semester statt – als Präsenzveranstaltung oder bei Bedarf als Videokonferenz.
Hintergrund: Wissenschaftsdidaktik
Das eigene Fach zu lehren und folglich Hochschullehre zu gestalten und zu reflektieren, gehört neben der Forschung zu den Aufgaben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Universitäten. Viele von ihnen lehren gerne und engagiert, aber es gibt mitunter auch ungünstige Haltungen gegenüber der Lehre ebenso wie es ungünstige Lehrbedingungen gibt. Zu den wohl größten Problemen gehört: Forschung und Lehre werden als unverbunden erlebt und treten in Konkurrenz zueinander, wenn es um Zeit und Ansehen geht.
Dass die „Vermittlung“ einer Fachwissenschaft zu dieser selbst gehört und dazu anregen kann, deren Grundlagen zu reflektieren und zu hinterfragen – sei es wissenschaftsethisch, sei es methodologisch, sei es gesamtgesellschaftlich – wird eher selten in Erwägung gezogen. In einem seiner letzten Texte hat der 2019 verstorbene renommierte Hochschuldidaktiker Ludwig Huber* an einen Ansatz der Hochschuldidaktik erinnert, der in den 1960er Jahren unter der Bezeichnung Wissenschaftsdidaktik eingeführt wurde und dann leider in Vergessenheit geriet. Wissenschaftsdidaktik nämlich setzt genau da an, wo heute die Probleme am größten sind: an der Verknüpfung von Forschen und Lehren und an der „Vermittlung von Wissenschaft als deren eigenes genuines Prinzip“ (Huber, 2018, S. 38).
Hochschuldidaktik steht gerade unter Professoren an Universitäten nicht selten unter dem Verdacht einer unangemessenen Pädagogisierung – heute wie vor 60 Jahren, als die Hochschuldidaktik einen Aufschwung erlebte: Befürchtet werden eine Trivialisierung der Sache und eine Infantilisierung der Studierenden. Es entsteht der Eindruck, Hochschuldidaktik werde vor allem zur Effizienzsteigerung oder zu anderen nicht akademischen Zwecken instrumentalisiert. Obschon empirisch widerlegt, gibt es schließlich nach wie vor die Hoffnung, dass sich eine wirksame Lehre weitgehend von alleine aus der Wissenschaft und anspruchsvoller Forschung ergibt. Mit seinem Konzept einer Wissenschaftsdidaktik trat Hartmut von Hentig** in den 1960er Jahren gegen alle drei genannten Hindernisse an, die Lehre mit der gleichen wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit anzugehen wie die Forschung.
Seine Argumentation ist: Wissenschaft unterscheidet sich von anderen Formen der Erkenntnis dadurch, dass offengelegt wird, wie eine Erkenntnis zustande gekommen ist. Indem sich Wissenschaft nachprüfen lässt und nachvollzogen werden kann, erlangt sie Objektivität: nicht in dem Sinne, dass eine objektive Wahrheit resultiert, sondern in dem Sinne, dass objektivierte (nachprüfbare, nachvollziehbare) Erkenntnis möglich wird. Durch die Absicht zur Intersubjektivität läuft Wissenschaft auf Kommunikation hinaus. Das heißt: „Erkenntnis wird zu Wissenschaft durch Mitteilung“ (von Hentig, 1970, S. 26).
Wissenschaftsdidaktik besteht darin, Wissenschaft selbst in Zusammenhang mit ihrer Kommunikation kritisch zu reflektieren und die Wechselwirkungen zwischen Erkenntnis und Kommunikation bzw. zwischen Forschen und Lehren oder Forschen und öffentlicher Kommunikation (Experten-Laien-Kommunikation) wahrzunehmen und zu gestalten. So gesehen „bedeutet Wissenschaftsdidaktik nicht die Einführung einer ganz neuen Aufgabe, sondern dass endlich alle tun, was ohnehin ihre Pflicht ist“ (von Hentig, 1970, S. 40).
* Huber, L. (2018). SoTL weiterdenken! Zur Situation und Entwicklung des Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) an deutschen Hochschulen. Das Hochschulwesen, 1+2, 33-41.
** von Hentig, H. (1970). Wissenschaftsdidaktik. In H. von Hentig, L. Huber & W. Müller (Hrsg.), Wissenschaftsdidaktik. 5. Sonderheft der Neuen Sammlung, 13-40.
Das Programm „WISSENSCHAFTSDIDAKTIK IM GESPRÄCH“
Gäbe eine so verstandene wissenschaftsdidaktische Reflexion von Lehre also Anlass dazu
- sonst Nicht-Thematisiertes zu thematisieren?
- bisher Nicht- oder Unreflektiert-Strukturiertes zu strukturieren?
- latente oder gar „beschwiegene“ Sinn- und Wertefragen zu reflektieren?
WISSENSCHAFTSDIDAKTIK IM GESPRÄCH ist ein Programm, das Professorinnen und Professoren an der Universität Hamburg ein Forum für die Diskussion von grundsätzlichen Fragen zur universitären Lehre bietet – jenseits didaktischer Praxistipps, schneller Problemlösungen und sogenannter Good oder Best Practices. Die Gestaltung des Forums (mit internen Impulsen, externen Gästen etc.) ist jeweils variabel, der Zweck aber gleichbleibend: Nicht tagesaktuelle Themen, sondern grundsätzliche Fragen zu Lehre und Wissenschaft stehen im Fokus.
Bezogen auf die Lehre ließe sich fragen:
- Welche Wirkung hat es auf Wissenschaft, wenn sie sich erst in Mitteilung manifestiert? Haben Lehre und andere Kommunikationssituationen Einfluss auf die Wissenschaft selbst?
- Wie, wenn überhaupt, kommt die Forschung einer Fachwissenschaft in deren Lehre wirklich (her)vor? Wirken Erfahrungen aus der Lehre auf die Forschung irgendwie zurück?
- In welchem Verhältnis stehen die Strukturen disziplinärer Forschung zu Fachsystematiken in der Lehre? Wie sind beide entstanden, begründet, und wären sie veränderbar?
- Was kann im heutigen Lehrbetrieb „Bildung durch Wissenschaft“ noch heißen? Wie ändert sich wissenschaftsorientierte Lehre inhaltlich mit dem Postulat nach Berufspraxisbezug?
Mit Blick auf die Wissenschaft als der Kontext und Gegenstand von Lehre wäre zu erörtern:
- Was verstehen wir unter Wissenschaftlichkeit in unseren Disziplinen? Wie grenzt sich das gegenüber anderen Wissensformen ab und woran müssen wir unbedingt festhalten?
- Was ist die Rolle verschiedener Fachwissenschaften in der Gesellschaft? Was ist ihre Legitimation, was sind ihre Bedingungen, Folgen wie auch ethischen Probleme?
- Was motiviert uns, in der Wissenschaft zu arbeiten, selbst wenn manche Bedingungen ungünstig sind oder werden? Worin beruht das persönliche Interesse an der Forschung?
Ort und Zeit
WISSENSCHAFTSDIDAKTIK IM GESPRÄCH
- ist eine Initiative des Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) und wird verantwortet und umgesetzt von Prof. Dr. Gabi Reinmann
- findet in der Regel einmal im Semester statt.
- wird in der Regel am HUL in der Schlüterstraße 51 (2. Stock) im Raum 2018 veranstaltet.
hat einen Zeitrahmen von max. 3 Stunden: 15.30 Uhr (s.t.) bis ca. 18.30 Uhr
Ankündigungen
23.02.2021
"Wissenschaftsdidaktik im Gespräch“ beschäftigt sich im Februar 2021 mit dem Thema „Hybride Lehre“.
Die Corona-Pandemie hat Lehre und Studium an Hochschulen auf den Kopf gestellt: Im Sommersemester mussten alle Lehrenden ihre Präsenzlehre auf digitale Lehrangebote umstellen; dann stiegen zunächst die Hoffnungen, im Wintersemester 2020/21 zumindest teilweise in die Präsenzlehre zurückkehren und Online-Lehre mit Lehre in physischer Präsenz zu kombinieren. Schnell hat sich dafür das Adjektiv „hybrid“ verbreitet. Die zweite Pandemie-Welle im Herbst 2020 hat diese Pläne wieder zunichte gemacht. Für den Verlauf des Jahres 2021 erwartet kaum jemand ein schnelles Ende der Pandemie, wohl aber ein Abflauen und eine vermutlich gestufte Rückkehr zur Präsenzlehre. Inzwischen aber gehen viele davon aus, dass die physische Präsenz auch langfristig mit digitalen Lehr-Lernoptionen verbunden wird. Der Grundgedanke einer hybriden Lehre dürfte also zu einem grundsätzlichen Leitprinzip in der Organisation und Gestaltung von Hochschullehre werden. Umso problematischer ist es, dass der Begriff derzeit im deutschen wie englischen Sprachraum unterschiedlich aufgefasst und genutzt wird. Das ist nicht nur für die Hochschulbildungsforschung ein Hindernis, sondern auch für die Kommunikation in der Praxis von Studium und Lehre sowie für konkrete Entscheidungen. Nun kann der Begriff der hybriden Lehre (oder Hybrid-Lehre) trotzdem nicht ignoriert, muss aber differenziert betrachtet werden. Mindestens an der eigenen Universität sollte man kurzfristig ein gemeinsames Verständnis als Kommunikationsgrundlage haben. Mittelfristig ist an einem generischen Begriffssystem rund um die Veränderung von Studium und Lehre im Zuge der Digitalisierung zu arbeiten.
Am 23. Februar 2021 von 16.30 bis 18.00 Uhr (bei Interesse bis maximal 18.30 Uhr) wollen wir in einem digitalen Austausch via Videokonferenz zur „Hybriden Lehre“ ins Gespräch kommen und uns dazu austauschen. Wie lässt sich Hybrid-Lehre verstehen? Welche wichtigen Unterschiede gibt es? Welchen Einfluss hat Hybrid-Lehre auf die Lehrorganisation? Wie ist hybride Lehre didaktisch sinnvoll zu gestalten? Zum Thema gibt es hier einen Text mit dem Titel "Hybride Lehre – ein Begriff und seine Zukunft für Forschung und Praxis".
Anmeldungen bitte bis zum 19. Febraur 2021 direkt per E-Mail an gabi.reinmann"AT"uni-hamburg.de
Der Link zum Videokonferenz-Raum wird nach der Anmeldung zugesandt.
Archiv
14.10.2020
"Wissenschaftsdidaktik im Gespräch“ beschäftigt sich im Oktober 2020 mit den Ergebnissen der Lehrendenbefragung, die im Juni 2020 zum "digitalen Sommersemester" durchgeführt worden ist.
Das Sommersemester 2020 verlief an allen Universitäten unter besonderen Bedingungen – nämlich weitgehend ohne Präsenzlehre. Auch im Wintersemester 2020/21 werden viele Lehrangebote weiterhin im Online-Modus stattfinden müssen. Die Ergebnisse der Lehrenden-Befragung, die am Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) online im Juni durchgeführt wurde, sind daher ein guter Anlass, die Erfahrungen aus dem „Krisen-Semester“ zu diskutieren und zu nutzen. Beteiligt haben sich an der Online-Befragung zum „Emergency Remote Teaching“ im letzten Sommersemester Lehrende aller Statusgruppen aus allen Fakultäten (ohne UKE). Mit 471 ausgefüllten Fragebögen ist der Rücklauf zwar etwas unter den Erwartungen geblieben; viele aufschlussreiche freie Antworten auf unsere offenen Fragen aber haben interessante Einblicke in die Erfahrungen der Lehrenden gegeben.
Der Bericht zur Befragung ist nun online hier zugänglich. Ergänzend zur zusammenfassenden Darstellung gibt es noch einen Anhang mit zusätzlichen Daten hier.
Am 14. Oktober 2020 von 16.30 bis 18.00 Uhr (bei Interesse bis maximal 18.30 Uhr) wollen wir in einem digitalen Austausch via Videokonferenz zu den Befragungsergebnissen ins Gespräch kommen und uns austauschen zu Fragen wie: Was nehmen wir aus den Resultaten mit? Welche weiteren Erfahrungen können Sie inzwischen beisteuern? Welche vor allem didaktischen Erfordernisse lassen sich aus den Erkenntnissen ableiten?
Anmeldungen bitte bis zum 10. Oktober 2020 direkt per E-Mail an gabi.reinmann"AT"uni-hamburg.de. Der Link zum Videokonferenz-Raum wird nach der Anmeldung zugesandt.
30. Juni 2020
Das Sommersemester 2020 verläuft an allen Universitäten unter besonderen Bedingungen – nämlich weitgehend ohne Präsenzlehre. In der Folge sind der Bedarf, aber auch der Austausch über „digitale Lehre“ bzw. über die Digitalisierung bisheriger Lehrformate groß. Grundsätzlichere Fragen sind derzeit noch wenig virulent, aber nicht weniger wichtig: Verändert die Pandemie die universitäre Lehre? Sind etwaige Veränderungen vorrangig Reaktionen auf äußere Anforderungen? Oder geben sie auch Impulse für gestaltendes Handeln? Die Fragen mögen einfach klingen und die Antworten naheliegen: Ja, die Pandemie verändert die aktuelle Lage, weil wir auf äußere Anforderungen reagieren und zugleich hoffen, dass aus der ganzen Misere einige Gestaltungsimpulse resultieren. Man kann Fragen dieser Art auch nutzen, um die eigenen Gedanken über universitäre Lehre zu sortieren und mit einer weiteren Frage verknüpfen, die weitaus komplexer ist, weil sie die erstrebenswerten Zukunftsbilder für eine Zeit tangiert, in der einige bislang selbstverständlich erscheinenden Facetten des Lehralltags tabu sein könnten: Was von dem, das die Zeit vor der Pandemie kennzeichnete, könnte man gar hinter sich lassen oder langfristig verändern? Welche neuen Optionen könnten sich auftun und auf welche Gestaltungsannahmen liefe das hinaus? Erste (und vorläufige) Antworten beinhaltet der Essay „Universitäre Lehre in einer Pandemie – und danach?“
Am 30. Juni 2020 von 16.30 bis 18.00 Uhr wollen wir in einem digitalen Austausch via Videokonferenz dazu ins Gespräch kommen. Der Essay dient als Impuls. Den Auftakt zur Diskussion machen Prof. Dr. Kai-Uwe Schnapp, NN und Prof. Dr. Gabi Reinmann, um im Anschluss alle Teilnehmenden zu Wort kommen zu lassen.
Anmeldungen bitte bis zum 26. Juni 2020 direkt per E-Mail an gabi.reinmann"AT"uni-hamburg.de. Der Link zum Videokonferenz-Raum wird nach der Anmeldung zugesandt.